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Peter Hasenclever
(1716-1793)
 

Etwa seit Mitte des 18. Jh. war eine nennenswerte Solinger Auswanderung nach Amerika zu verzeichnen. Der in den 1760er Jahren nach Nordamerika ausgewanderte Remscheider Peter Hasenclever ließ für die Errichtung seiner Eisenwerke in New Jersey durch seinen Vetter Franz Caspar in Rotterdam 535 Arbeitskräfte im Bergischen Land und in der Pfalz anwerben. Vermutlich waren darunter auch Solinger Arbeiterfamilien.

Die Regierung war über diesen Bevölkerungsschwund beunruhigt und reagierte in diesem Fall heftig. "So wissen wir von dem mehrfachen Bemühen der ... bergischen Landes- und Ortsbehörden, die gerade im Solinger Bereich vorübergehend zunehmende amerikanische Auswanderung durch energische Gegenmaßnahmen zu unterdrücken. Aber gerade diese sich immer von Zeit zu Zeit wiederholenden amtlichen Bemühungen zeigen, daß ihnen kein großer Erfolg beschieden gewesen sein kann." [RP vom 12.11.1949]

In den Krisenjahren 1794-1796 notierten einige überregionale Zeitungen annähernd 1000 Handwerker, die aus der Gewerbezone des Herzogtums Berg nach Nordamerika zogen, darunter 300 Metallarbeiter. [Malunat S. 43]

Missernten, Teuerung, Massen-Arbeitslosigkeit und Hunger führten in Deutschland insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jh. zu weiteren Auswanderungswellen in die USA. Auch verließen viele die Heimat, weil sie nicht zu Soldaten gepresst werden wollten, andere, weil sie von der Erbfolge auf dem elterlichen Hof ausgeschlossen waren. Allerdings erreichte die Auswanderung aus dem Bergischen Land bei weitem nicht die Intensität, die Hessen oder die Pfalz verzeichneten.

Wenn auch die starke Abwanderung einerseits ein Problem für den Staat darstellte, so führte sie doch andererseits auch zu einer Entlastung der Wirtschaft.

Tatsächlich ist es manchem Solinger Auswanderer gelungen, sich "drüben" eine Existenz aufzubauen, so dass er dann "Verwandte und Freunde oder auch tüchtige und fachkundige Arbeitskräfte für den Auf- und Ausbau seines amerikanischen Betriebes hat nachkommen lassen". Andere Solinger haben, "enttäuscht über die amerikanischen Verhältnisse", die Rückkehr in die Heimat vorgezogen oder sind gar "in dem großen Völkerschmelztiegel spurlos untergegangen". [RP vom 19.12.1949]




Namentlich bekannte Solinger Auswanderer waren zum Beispiel diese:

  Gottfried Knecht (* 1758 in Solingen) soll am 8. November 1806 in Philadelphia gelandet sein. (Der Name Knecht war schon im 17. Jh. in der Solinger Zunft der Härter und Schleifer vertreten.) Vermutlich stammte auch die bereits am 4. Februar 1790 in demselben Hafen gelandete fünfköpfige Familie Knecht aus dem Solinger Raum. [RP vom 12.11.1949]

  Gustav Herder (* 10. Februar 1810 in Solingen) wanderte im Sommer 1832 aus "und kam über Baltimore nach Cincinnati. Er war gelernter Messerschmied. Aus solcher betätigte er sich auch in den ersten Amerikajahren. Später gelang es ihm, eine Handlung in Eisen- und Stahlwaren und in Schneidwerkzeugen aller Art zu begründen, die ihn zu einem wohlhabenden Manne machte. In deutschen Auswandererkreisen genoß er großes Ansehen. Er starb am 17. März 1884." [RP vom 19.12.1949]

  Am 14. Oktober 1852 wanderten nach New-Orleans aus:
-   J. Fr. Wolfertz aus Wald,
-   Friedr. Wilh. Hoppe aus Solingen
[Angehörige dieser beiden alten Schwertschmiede-Familien waren 1814 auch unter den Auswanderern nach Slatoust / Russland]
-   Wilh. Stöcker mit Familie aus Bourscheid,
-   H. August Schwecke aus Solingen,
-   Friedr. Wilh. Stöcker mit Familie aus Bourscheid,
-   Gottfried Körschgen mit Familie aus Birkendahl bei Leichlingen,
-   Albert Schmitz aus Bourscheid,
-   Joseph Melzer,
-   Frau Dohm mit Familie aus Solingen
-   Peter Johann Wingen aus Witzhelden,
-   C.A. Schmitz aus Bourscheid,
-   Ferdinand Berger aus Bourscheid.
[SKIB vom 10.11.1852]

  Eduard Melchior (* 13. Juli 1846 in Solingen) kam 1886 nach Chicago."Er hatte in der Heimat das Messerschmiedehandwerk gelernt. Im Laufe der Jahre brachte er es im amerikanischen Wirtschaftsleben zu großen Erfolgen". [RP vom 19.12.1949]

  Nachkommen der Walder Schleiferfamilie Mutz, Kinder und Enkel von August Mutz am Zieleskotten lebten um 1911 in den USA.


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Die Heimat, Jg. 29, Nr. 12, Dezember 1963

Auswanderer nach USA wollten untertauchen

Von Otto Bauermann

"[...] Viele werden aus Abenteuerlust, andere wegen schlechter Arbeitslage ausgewandert sein. Es werden aber auch nicht wenige diesen Weg benutzt haben, um unterzutauchen. So fand ich auch zwei Angehörige der alten Bauermannskuller Linie Bauermann, die sich wegen Verfehlungen zu verantworten behabt hätten, wenn sie nicht den Weg ins Ausland gewählt hätten.

Im Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 17.12.1851 finden wir folgende Nachricht:

Die nachstehend signalisirten, wegen falschen Zeugnisses, resp. Verleitung dazu, vor die hiesigen Assisen verwiesenen Personen, haben sich ihrer Verhaftung durch die Flucht entzogen. Alle betreffenden Polizeibehörden ersuche ich, dieselben zu achten, sie im Betretungsfalle zu verhaften, und in das Arresthaus hierselbst abliefern zu lassen.

Elberfeld, den 11. Dezember 1851
Der Ober-Prokurator:
gez. von Ammon."

Es folgt das Signalement der beiden:

(Carl) Daniel Bauermann: Alter 31 Jahre, Stand Messerfabrikant, Geburtsort zum Erf, Wohnort daselbst, usw.
(Peter) Daniel Bauermann: Alter 45 Jahre, Stand Messerfabrikant, Geburtsort zum Erf, Wohnort daselbst, usw.

Beide waren Söhne der Eheleute Messermacher Samuel Bauermann (* Bauermannskulle 17.4.1775) und Anna Maria König (* 1775). Sie betrieben unter der Firma S. Bauermann Söhne zu Erf ein Fabrikationsgeschäft.

Von Peter Daniel Bauermann (* Erf 5.3.1806) ist uns bekannt, daß er sich nach Amerika absetzte, denn seine Geschwister und Schwager veröffentlichten am 13.10.1855 im Solinger Kreis-Intelligenzblatt eine Todesanzeige, aus der hervorgeht, daß er in Louisville, im Staate Kentucky, am 16. September 1855 starb.

Von Carl Gustav Bauermann habe ich ... nichts erfahren können. Es ist aber anzunehmen, daß er denselben Weg wählte, um sich der Strafe zu entziehen [...]."


Sich der Strafe entziehen - dieser Auswanderungsgrund wird relativ häufig genannt, nicht nur in der Folge der Revolution 1848/49, sondern auch noch im 20. Jahrhundert.

Von Amerika-Auswanderern aus Elberfeld oder Barmen in der Mitte des 19. Jh. ist überliefert, dass sie am Bahnhof Steinbeck in einen Zug nach Düsseldorf gestiegen und von dort mit dem Rheindampfer nach Rotterdam gefahren sind, von wo aus die "Queen of New York" sie auf einer vierwöchigen Seereise im Unterdeck ins gelobte Land bringen sollte. Andere sind über Bremen gereist:


Anzeige
Elberfelder Zeitung 1847

Das amerikanische Post-Dampfschiff Washington, Capt. Hewitt, fährt gegen den 1. September von Bremen via Southampton nach New-York.
Passage-Preis in der ersten Cajüte 150 Dollars. Kinder unter 12 Jahren und Domestiken die Hälfte. -
In der zweiten Cajüte sind keine Plätze offen. -
Güterfracht 35 und 25 Dollars per 40 Cubikfuß. Primage 5 pCt. -
Passage-Preis nach Southampton 5 Pf. Sterling.
Bremen, den 30. Juni 1847.
C.A. Heneken & Comp.

Vielleicht wären mehr Auswanderer in die alte Heimat zurückgekehrt wie der Solinger Schleifer Robert Henckels, hätten sie nur die Heimreise bezahlen können. Robert Henkels wanderte 1865 aus, um in Übersee ein reicher Mann zu werden.


Solinger Tageblatt vom 21. Februar 1941

Ein Solinger Meister geht nach Amerika

Meines Großvaters Ausfahrt und Heimkehr
Von Walter Henkels

"[...] Ich habe den Großvater nicht gekannt. Aber in den Knabenjahren fielen mir, zwischen alten Familienpapieren, Briefe in die Hände, zahllose Briefe, in Terryville und Newark geschrieben, vergilbtes Papier, vergilbte Tinte, die ungelenke Schrift teilweise schwer zu entziffern.

Mein Großvater war ein Scherenschleifermeister. Er zog dreizehn Kinder groß, war ein stiller Mensch, liebte den Wald und die Kreatur, und die Wupperberge waren seine große, heimliche Liebe. ... Meine Großmutter ... muß eine gleich fromme, duldsame und demütige Frau gewesen sein. Das will ich nur erwähnen, um darzutun, wie schwer ihnen das Herz gewesen sein muß, als sie 1865 übers große Wasser gingen. Sie fuhren, von Hamburg, mit einem Segelschiff über den Ozean. Sechs Wochen lang.

Mein Großvater, der 1904 verstarb, hatte nahezu fünfzig Jahre hinter dem Schleifstein gesessen. Mühsal und viel Leid haben dabei gestanden. Dreizehn Mäuler stopfen ist kein Pappenstiel. Und damals ist in Solingen ja auch das Gespenst der Arbeitslosigkeit umhergeschlichen. Die Kommissionen, wie sie es nannten, waren schlecht, oft litten die Schleifer in den Wupperkotten unter Wassermangel, konnten im Sommer nur zwei und drei Tage in der Woche arbeiten.

Und von drüben, vom unbegrenzten Amerika, schrieben schon mal alte Bekannte, denen es gut ging. Sie verdienten dort ein gutes Geld. Die, denen es schlecht ging, schrieben nicht. Am 27. April 1865 hat sich der Großvater in Hamburg eingeschifft. Auf dem Schiff hatte die Großmutter ihre schwere Stunde. Hier wurde das zweite Kind geboren. [...]

Mein Großvater war dem Rufe seines Freundes Robert Wüsthoff gefolgt, einem Solinger, der drüben Solinger Schneidwaren fabrizierte. Mein Großvater übernahm die Leitung der Schleiferei, die damals vierzig Arbeiter beschäftigte. Aber drüben ging es auch schlecht, zeitweilig gingen viele müßig, wie der Großvater berichtet. Der Mann ist nicht reich geworden.

Nach zwei Jahren hat Mister Robert Henckels sein Bündel geschnürt und ist wieder heimgekehrt. In Solingen hat er ein von ihm erfundenes Polierverfahren für Wüsthoff eingeführt. [...]"



Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 19. November 1851

Zur Nachricht für Auswanderer!
Regelmäßige Schifffahrt nach Amerika.

Der Unterzeichnete expedirt in Verbindung mit den solidesten Rhederhäusern
von Antwerpen nach New-York am 1. und 15. jeden Monats,
von Bremen nach New-York am 1. und 15. jeden Monats,
von Havre nach New-York am 9., 19. und 29. jeden Monats,

und ebenso im Frühjahr und Herbst an näher zu bestimmenden Tagen nach New Orleans, solide gekupferte und für die Passagierfahrt bestens eingerichtete Dreimaster-Schiffe 1. Klasse.
Die Fahrpreise sind immer auf das Billigste gestellt und ertheilt der Unterzeichnete jede weitere Auskunft bereitwilligst.
Cöln, im November 1851. Carl Maibücher.

In Solingen und Umgegend beliebe man sich an Herrn Johann Spiekernagel zu Bünkenberg zu wenden.


Jakob Engels stürzte, vom Zahn der Zeit durchnagt

Das Solinger Kreis-Intelligenzblatt veröffentlichte 1875 die Todesmeldung des 1847 in die USA ausgewanderten Solinger Kaufmanns Jakob Engels aus der in Sandusky (USA) erschienenen Zeitung "Demokrat" - mit unfreiwilligem Schmunzel-Effekt aufgrund der allzu wörtlichen Übersetzung. Die alte Klingenhandwerker-Familie Engels stellte übrigens auch Auswanderer nach Klingenthal im Elsass (1730).


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 3. Dezember 1875

"Wir entnehmen dem in Sandusky (Amerika) erscheinenden 'Demokrat' vom 10. Nov. Folgendes: »Eine Säule des intelligenten und soliden Deutschtum's von Sandusky - Jakob Engels - stürzte letzte Woche, vom Zahn der Zeit durchnagt, in einem nahezu patriarchalischen Alter. Herr Engels war Anno 1800 in Solingen, Rheinpreußen geboren, und kam in 1847 nach diesem Lande, wo er sich vermittelst seiner Fähigkeiten, reellem Geschäftssystem und Solidität zu einem der ersten Kapitalisten dieser Gegend emporschwang. [...]

Wie schon vorher bemerkt, war Herr Engels eine Koriphäe des gebildeten eingewanderten Deutschthums, denen dies Land und unsere Nationalität so Vieles zu verdanken hat und deren Zahl jetzt schnell zusammenschmilzt. In öffentlichen Fragen war er stets auf Seite des freien Sinnes und Fortschrittes. So viel wir wissen, hinterläßt der Verstorbene an näheren Verwandten nur eine Schwester, die seit dem Tode der Frau Engels als Haushälterin bei ihm fungirte, und die selbst in weit vorgerücktem Alter steht. Die Beerdigung fand am Sonntag Nachmittag unter zahlreicher Betheiligung statt.« - [...]"



Warnung

Während das Solinger Kreis-Intelligenzblatt voll war von Anzeigen der Schifffahrtslinien, die Überfahrten in die Vereinigten Staaten speziell für Auswanderer anboten, erschien eine eindringliche Warnung an deren potenzielle Kunden:


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 6. September 1876

Vom Rhein, Anfangs Septbr.
Es ist Pflicht der Presse, den Auswanderungslustigen nach den Vereinigten Staaten Nord-Amerikas entschieden abzurathen, da die Noth dorten unter der ärmern Bevölkerung stark herrscht. Nach einem uns vorliegenden Newyorker Blatte sind jetzt Tausende in jener Stadt ohne alle Beschäftigung. Dabei ist die Theuerung aller Victualien [= Lebensmittel des täglichen Bedarfs] groß. Die Todesfälle bei dieser Menschenklasse betrugen im Juli wöchentlich 50 auf 1000. Recht fleißige und brave Familienväter sind schon seit 1/2 Jahr fast ohne alle Beschäftigung. In der Stadt sind im 2. Quartal d. J. 12 Menschen Hungers gestorben. Die Farmer sind überlaufen von Arbeitern; Schaaren unbeschäftigter Leute ziehen von Staat zu Staat, finden zumeist aber keine Arbeit und verfallen in einen Zustand der Wildheit.



Ein Solinger Reider in Elkton (1891)

Natürlich machten die Auswanderer in den USA ganz unterschiedliche Erfahrungen. Die einen schlugen sich durch oder kamen gar zu Wohlstand, die anderen nicht. Der folgende Artikel klingt so, als wäre der ausgewanderte anonyme Solinger Reider von einem amerikanischen Unternehmen angeworben worden. Interessant ist der Hinweis auf das entspannte Verhältnis zu den ortsansässigen Schwarzen - und auf die nicht immer ausgeprägte Solidarität unter den Neu-Amerikanern.


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 29. Mai 1891

"Solingen, 29. Mai.   Ein Theil der nach Elkton, Va., in den Vereinigten Staaten ausgewanderten Solinger hatte bekanntlich sich darüber bitter beklagt, daß die den Leuten gemachten Versprechungen und Zusicherungen nicht gehalten und die Auswanderer selbst zum Theil in große Noth gerathen seien.

Neuerdings sind nun wieder Briefe von nach Elkton ausgewanderten Solingern hier eingetroffen, einer derselben liegt uns vor; er enthält jedoch keine Klagen, der Briefschreiber, ein Reider von hier, dessen Angehörige an der Schwertstraße wohnen, scheint vielmehr mit seinem Geschick nicht unzufrieden zu sein, was z. B. die Mittheilung in dem Briefe beweist, daß er mit der "Compagnie" gesprochen habe und seinen Angehörigen demnächst die Freikarten zur Ueberfahrt senden werde.

Der Briefschreiber theilt in dem Briefe mit, daß er und die anderen Reisegenossen am 12. Mai in Elkton angekommen seien, welches, zwar nur ein "Dorf", sehr schön gelegen und rings von Bergen umgeben sei. Es leben zwar auch viele Neger dort, die aber mit den Weißen auf freundschaftlichem Fuße ständen.

10 Mann von den Auswanderern seien nicht mit nach Elkton gegangen, weil sie unterwegs gehört, "es wäre alles Schwindel". (Ob "es Schwindel ist", oder nicht, darüber sind in dem Briefe keine Mittheilungen enthalten.) Dagegen erwähnt der Briefschreiber, daß er noch der einzige Reider am Orte sei, doch könnten die Ankömmlinge noch nicht an den Messern arbeiten, weil die Fabrik noch nicht fertig ist, und die Zwischenzeit benutzen sie nun mit Anfertigung der Geräthschaften, Reidstühle, Bänke u. s. w.

Die Lebensmittel u. dgl. sollen dort sehr billig sein, noch billiger als in New-York, und über die Preise in letzter Stadt schreibt unser Gewährsmann in einem vom 24. April datirten New-Yorker Briefe, das beste Rindfleisch koste 32 Pfg., Zugstiefel 1 Dollar (ca. 4 M.), ein Anzug 2-3 Dollar, eine Sprungfeder-Matratze 75 Cts. u. s. w.

In diesem Briefe wird auch der Thatsache Erwähnung gethan, daß die Auswanderer, als sie nach sehr schöner Fahrt in New-York ankamen, im Castle Garden 5 Stunden lang eifrig verhört worden seien, angeblich "weil Solinger Fabrikanten hierher telegraphirt hatten."

Auf der Reise von New-York nach Elkton war unser Gewährsmann in Newark bei einem Fabrikanten, dessen Vater in Solingen gestorben ist; dort hatte er sich aber keines sehr freundlichen Empfanges zu erfreuen, vielmehr sagte Jener zu unserm Auswanderer nachdem er ihm auch die Adresse eines anderen früheren Solingers verweigert hatte, "wenn er gewußt haben würde, daß die Solinger nach Amerika hätten kommen wollen, dann wären sie nicht in Amerika hineingekommen." -

Wir wollen wünschen, daß mit unserem Gewährsmann alle unsere Landsleute in Elkton fortgesetzt die erhoffte Befriedigung finden und daß sie vor späteren Enttäuschungen bewahrt bleiben möchten; nicht alle sind "drüben" von derselben Zufriedenheit beseelt, die sich aus den obigen Briefen wiederspiegelt."


Castle Garden war der von der Stadt New York 1855 eingerichtete zentrale Landeplatz für Einwanderer. Beamte registrierten die Einwanderer, informierten über zuverlässige Gasthäuser sowie schnelle und preiswerte Beförderung zum gewünschten Zielort, oder sie vermittelten Arbeit. Ab 1892 ersetzte Ellis Island das zu klein gewordene Castle Garden. Damit wurde die unkontrollierte Einwanderung verhindert und den neu erlassenen Einwanderungsgesetzen Geltung verschafft.
[Website: "http://www.fb1.uni-siegen.de/auswanderung/" am 04.01.2004]


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Auswanderung der Familie Karl Juffernbruch
nach Rockford, Illinois (1923)

In Rockford /USA lebt Bill Juffernbruch, Urenkel von Friedrich Juffernbruch aus Erkrath, dem von 1869 bis 1875 die Nümmener Mühle in Gräfrath gehörte. Wie kam Familie Juffernbruch nach Amerika?

Nach dem Verkauf der Nümmener Mühle siedelte Friedrich mit seiner Familie nach Sonnborn und später nach Wülfrath um. In Sonnborn wurde sein sechstes Kind, Karl, geboren, und er war es, der 47 Jahre später Deutschland mit Frau Clara und Sohn Wilhelm verließ. Bill Juffernbruch berichtet aus der Familienchronik:

Meine Großeltern, Karl und Clara Juffernbruch geb. Tillmann sowie mein Vater William Juffernbruch wanderten 1923 in die USA ein. Sie kamen nach Rockford, Illinois. Mein Großvater war zu dieser Zeit 47 Jahre alt, meine Großmutter 45 und mein Vater 20. Vor ihrer Emigration lebten sie in Velbert. Dort haben meine Großeltern 1902 in der alten Kirche geheiratet.

Mein Großvater war Schlosser. Mein Vater arbeitete in einer Gießerei für Krupp. Sie haben Deutschland wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse während der Inflationszeit verlassen, da sie hier keine Zukunft für sich sahen. Mit sehr wenig Geld und ohne Aussicht auf Beschäftigung kamen sie in die USA. Sie kamen nach Rockford, Illinois, weil eine Schwester meines Großvaters hier lebte, die schon einige Jahre früher eingewandert war.

Beide, Vater und Sohn, hatten Erfolg bei der Arbeitssuche in Rockford. Mein Großvater arbeitete bis zum Alter von 75 Jahren für eine Schlosserei als lock inspector. Mein Vater wurde Maschinenbau-Ingenieur und betrieb viele Jahre lang eine eigene Maschinenbau-Firma. Meine beiden Großeltern starben 1960, mein Vater 1978.

Mein Bruder Frederick und ich leben mit unseren Familien in Rockford. Ich habe zwei Söhne, mein Bruder ebenfalls; ich habe zwei Enkelsöhne, und mein Bruder hat ebenfalls einen, so dass es den Namen Juffernbruch in den USA weiterhin geben wird.
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My grandparents, Karl and Clara (Tillmann) Juffernbruch and my father William Juffernbruch immigrated to the USA in 1923. They came to Rockford, Illinois. My grandfather was 47 years old, my grand mother 45 years old and my father 20 years old in 1923. They were living in Velbert before they immigrated. My grand parents were married at the Alte Church in Velbert in 1902.

My grandfather was a locksmith. My father worked in a foundry for Krupp. They left Germany because of the economic conditions (inflation of the Mark) during that time. They saw no future for them in Germany. They came to the USA with very little money and no prospects for employment. They came to Rockford, Illinois because my grandfather had a sister living in Rockford. She had immigrated a few years earlier.

Both were successful in finding work in Rockford. My grandfather worked for a lock manufacture as a lock inspector until he was 75 years old. My father became a mechanical engineer and had his own engineering company for many years. My grandparents both died in 1960 and my father in 1978.

My brother, Frederick, and I with our families live in Rockford. I have two sons and my brother have two sons and I have two grandsons and my brother has one grandson so there are three males to carry on the name Juffernbruch in the USA.

[Bill Juffernbruch, Rockford, Illinois /USA, 2003]




Wie sah es im Jahr 1923 im deutschen Reich und im bergischen Land aus?
Zum Beispiel so:

  • Am 25. Februar verabschiedet der Reichstag ein Notgesetz gegen Wucher.
  • Vom 14. August bis 30. November gibt der Kreis Solingen Notgeldscheine im Gesamtwert von 1 392 155 763 241 000 000, in Worten: eine Trillion dreihundertzweiundneunzig Billiarden einhundertfünfundfünfzig Billionen siebenhundertdreiundsechszig Milliarden zweihunderteinundvierzig Millionen Papiermark aus.
  • Im November kommt es in Ohligs bei Plünderungen von Kohlen- und Lebensmittelgeschäften zu Unruhen, bei denen zwei Tote, zwei Schwer- und vier Leichtverletzte zu beklagen sind.
  • Am 15. November beendet die Ausgabe von Rentenbankscheinen (Rentenmark) die Inflation. Der Kreis Solingen gibt wertbeständiges Notgeld in Höhe von 194 672,50 Dollar heraus. [Bauermann 1953, S. 104 f und Chronik S. 803]

Nach dem (Ersten) Weltkrieg ist, so konstatiert der Lokalhistoriker Max Schmidt 1928, "der Solinger Industrie eine Auswanderungsgefahr entstanden, die zu ernsten Besorgnissen Veranlassung geben könnte. Noch nie ist nämlich die Zahl der abwandernden Solinger Facharbeiter so groß gewesen, wie in den letzten Jahren. Das Ausland zieht immer mehr Facharbeiter aus Solingen an, und leider nimmt es nur die Besten. Ein nicht zu ermessender Schaden droht so der alteingesessenen Industrie durch ihre Verschleppung." [Schmidt]


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Einer der erfolgreichen Solinger Nordamerika-Auswanderer war Heinrich Staudenbecker, der mit seinen fünf Söhnen das Wagnerhandwerk betrieb. Aus ihrem Unternehmen wurde 1868 die Studebaker Brothers Manufacturing Company. In seinem am 14.02.2011 im Solinger Tageblatt erschienenen Artikel nennt Hans Joachim Schneider noch weitere in Solingen immer noch geläufige Auswanderer-Namen:


Solinger Tageblatt vom 14.02.2011

Frühe Solinger Emigranten.

Von Hans Joachim Schneider

[...] In den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts wanderten mehrere Familien in die USA aus. 1734 verließ Peter Lobach mit seiner Mutter und seinem Stiefvater Solingen und segelte am 13. September 1734 mit der "St. Andrew" von Rotterdam nach Philadelphia. Die Familie ließ sich in der Gemeinde Pike im Berks County, Pennsylvania, nieder. Ihre Domäne wurde später "Lobachsville" genannt. Nach Peter Lobachs Stiefvater Johann Wilhelmus Pott wurde ein Ort Pottstown benannt, der ebenso wie Lobachsville am Schuylkill-Fluß liegt. 1745 übernahm Peter Lobach dort von seinem Stiefvater eine Walkmühle. Es heißt, dass Peter Lobach bei einem Messerschmied in die Lehre gegangen war. Allerdings war er erst 14 Jahre alt, als er nach Amerika ging.

1736 kam Abraham Teagarden (Teegarten) mit seinen Söhnen Abraham, William und George mit dem Schiff "Harle" in Philadephia an. Wie [...] [an anderer Stelle] erwähnt war bereits 45 Jahre zuvor ein Mitglied dieser Familie nach England abgewandert. Wie viele der deutschen Auswanderer zogen die Teagardens später nach Maryland, wo Abraham Teagarden II. 1757 im Frederick County lebte.

Ebenfalls 1736 wanderten die Brüder Peter und Clemens Staudenbecker zusammen mit ihrem Cousin Johann Heinrich in die USA ein. Clemens Staudenbecker ist der Vorfahr der berühmten Studebaker-Familie, die zunächst Pferdewagen und später Autos herstellte. Sein Bruder Peter wurde am 16. Oktober 1695 in Solingen geboren, wo er 1725 Margaretha Aschauer aus einer Klingenschmied-Familie heiratete; er starb im Frederick County, wo auch die Familie Teegarten lebte.

Am 19. Juni 1759 wurde in eben diesem Frederick Michael Engels geboren. Er war der Sohn von Johann Peter Engels, der zusammen mit seinen Brüdern Clemens, Johann Caspar und Peter sowie seinem am 14. Mai 1684 in Solingen geborenen Vater Caspar Engels von Klingenthal im Elsass, wohin sie von Solingen ausgewandert waren, in die USA emigrierte. Michaels Bruder Clemens war noch in Klingenthal geboren und starb 1812 in Somerset, Pennsylvania. Ein weiterer Bruder, Samuel, kam 1713 in Frederick auf die Welt. In Frederick wurden 1762 und 1763 auch Peter Engels' Kinder Peter und Susanne geboren.

Unter den ersten aus Solingen abgeworbenen Arbeitern in Klingenthal waren übrigens auch ein Schleifer namens Andreas Aschauer und der Klingenschmied Abraham Degard (Theegarten).



Quellen:
  • Bauermann (1953)
  • Bauermann, Otto: Auswanderer nach USA wollten untertauchen. Die Heimat 12/1963
  • Chronik der Deutschen (1983)
  • Henkels, Walter: Ein Solinger Meister geht nach Amerika. Solinger Tageblatt vom 21.02.1941
  • Juffernbruch, Bill (Rockford, Illinois/USA, E-Mails 2003)
  • Rheinische Post vom 12.11.1949 und vom 19.12.1949 [RP]
  • Schmidt, Max: Solinger, die Solingen den Rücken kehrten. Die Heimat 1828 S. 57
  • Schneider, Hans Joachim: Frühe Solinger Emigranten. In den USA, England und im Elsass finden sich bekannte Namen. Solinger Tageblatt vom 14.02.2011: "Solinger Familien in aller Welt"
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt (div.) [SKIB]

Weitere Literatur:
  • Höhscheider Auswanderung nach Nordamerika. Die Heimat 21/1928, S. 83 f, S. 87, S. 90 f (u.a. Briefe von Ausgewanderten aus Solingen-Höhscheid)

  Passagierlisten und weitere Informationen bietet die Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA der Universität Oldenburg.


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